
Inspiration liegt in der Regel auf der Straße...


Nun stehen wir hier im digitalen Zeitalter mit all seinen unbegrenzten Möglichkeiten. Mit ein paar Klicks gelangen wir in wenigen Sekunden an Literatur, Nachrichten und Wissen aus aller Welt. Wir können weltweit in Echtzeit mit Menschen überall auf dem Globus kommunizieren und dabei innerhalb eines Augenblicks Fotos und Videos teilen. Das sind Freiheiten und Möglichkeiten, die sich vor wenigen Jahrzehnten kaum ein Mensch hätte träumen lassen, während sie für uns (mittlerweile)selbstverständlich sind.

Seit Anfang des Jahrtausends werden Kinder und Jugendliche jedoch dank Telefon-, SMS- und Internet-Flatrates nicht mehr nur sozialisiert; sie werden vor allem auch digitalisiert. Ein Zustand, der das soziale Leben ohne Internetanschluss oder Mobilfunkempfang geradezu unmöglich macht. Wir lassen uns beim Warten auf den Bus die neuesten Mode-, Lifestyle- und Ernährungstrends von sogenannten Opinion Leadern via Youtube, Instagram und Twitter diktieren. Gleichzeitig ernten moderne Sklaven unseren Tabak und Kaffee, ertrinken dutzende Menschen auf der Flucht vor Krieg und Armut im Mittelmeer und sichern sich multinationale Konzerne vor unseren Augen das Monopol über Trinkwasser und Nahrungsmittel. Doch das alles kümmert uns nicht. Wir feiern unseren hedonistischen Lebensstil mit einem weiteren Selfie in den „sozialen“ Medien und verlieren unbewusst mehr und mehr jegliches Gefühl für ein soziales Miteinander.
Diese Diskrepanz der Lebenswelten – der unbeschwerte Reichtum und daneben die krisengeschüttelte Armut vieler Menschen – fiel Liqen bereits bei seinem ersten Besuch in München auf. Der Künstler und llustrator stammt aus einer kleinen Industriestadt in Galicien. Mittlerweile hat er selbst die entlegensten Orte im Amazonas bereist und sich ein Bild machen können von den reichen und armen, von den unfassbar schönen und absolut unwirtlichen Winkeln dieser Welt.
Während sich die Erbengeneration am frühen Abend ausgelassen auf den Weg zum Gärtnerplatz macht, um ihr Dasein zu feiern, kreisen Flaschensammler schon den ganzen Tag über das bunt geblümte, sehr adrette Areal. Wenige Stunden später wird der Platz einer Müllhalde gleichen, die aber Morgen für Morgen durch Angestellte der Stadt gereinigt wird.
In seinem Bild thematisiert LIQEN ganz unverblümt die spätrömische Dekadenz unserer Gesellschaft. Zwei Wochen hat er an seinem Mural gearbeitet – nun erinnert es uns in seiner Ästhetik an das, worüber Liqen bereits am ersten Tag seines Aufenthalts stolperte. Kritisch hält uns sein Werk einen Spiegel vor und lenkt ganz nebenbei unseren Blick auf die eigentlich wichtigen Themen der Gesellschaft.
STANDORT: - Corneliusstraße 10, 80469 München
